Kollektiv führen

Es genügt nicht mehr, Kolleg:innen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Unternehmen müssen schnell gute Entscheidungen treffen. Das können nur diejenigen Kolleg:innen leisten, die aus ihrer täglichen Praxis mit der Fragestellung vertraut sind.
Gruppe von Menschen unter einer gemeinsam getragenen Krone als Illustration kollektiver Führung in der Soziokratie. Strichzeichnung.
Inhaltsübersicht

Die einsame Führungskraft befragt regelmässig ihre Untergebenen und beobachtet sie bei der Arbeit, um sich auf die Entscheidungen vorzubereiten, die sie kraft ihrer Position zu treffen hat. Dieses Bild aus nahezu jeder Organisation reflektiert moderne Führung in der frühen Industrialisierung. Für die Wissensarbeit unserer modernen Dienstleistungsgesellschaft ist das Führungsmodell allerdings völlig ungeeignet. Unternehmen benötigen Führung als einen kollektiven Prozess, in dem alle Mitarbeiter:innen sämtlicher Bereiche ihre Perspektive in die Entscheidungsfindung einbringen, um im komplexen Umfeld nach Spannung zu navigieren.

Führung

Mitarbeiter:innen übernehmen gefühlt zu wenig Verantwortung, Chef:innen sind überfordert. Auf Umwegen verlaufende Entscheidungsprozesse verschlingen wertvolle Zeit, und die resultierenden Entscheidungen finden wenig Unterstützung in ihrer Umsetzung. Zentralisierte Führung hat ihre Tücken.

Die Vorstellung von Führung als Funktion einer eingesetzten Führungsperson unterstellt eine zumindest theoretische Möglichkeit, dass Entscheidungen sinnvoll an eine «übergeordnete» Stelle übertragen werden können. Doch anders als zu Zeiten, in denen diese Idee entwickelt wurde, muss diese Projektion heute zu Überforderung führen.

Als im 19. Jahrhundert ungelernte Arbeiter:innen die Fliessbänder der neu entstehenden Fabriken bedienten, übernahmen Ingenieure für sie das Denken, indem sie den Arbeitsprozess in kleinste Tätigkeiten zerstückelten, die aneinandergereiht zum gewünschten Resultat führten. Diese Trennung ist heute nicht mehr umsetzbar. Und auch nicht nötig. Unternehmen müssen nach Spannung navigieren.

Wo bestens ausgebildete Fachkräfte komplexe Aufgaben bewältigen, ist die relevante Kompetenz für Entscheidungen versammelt. Jeder Versuch, Extrakte davon als Informationsgrundlage an Vorgesetzte weiterzugeben, unterschätzt das Können, das Wissen und die Erfahrung qualifizierter Mitarbeiter:innen.

Intuition

Denn die relevanten Entscheidungen können sich nicht auf Faktenwissen allein stützen. Jede Entscheidung beinhaltet einen Anteil an Unsicherheit – wozu sonst wäre eine Entscheidung notwendig? Hier stützt die Entscheidung sich gezwungenermassen auf die Intuition der Entscheider:innen, auf das intellektuell nicht erschlossene Erfahrungswissen.

Verlässliche Intuition wächst aus jahrelanger, intensiver Erfahrung mit der Materie. Und sie ist schnell verlernbar – gerade in Umfeldern, die laufendem Wandel und schneller Innovation unterworfen sind. Für wen sich als Vorgesetzte:r aus dem Tagesgeschäft verabschiedet, beginnt der Zähler rückwärtszulaufen.

Glück hat, wer die Intuitionen mehrerer Fachpersonen zusammenlegen kann, die ihre jeweilige Expertise in die Entscheidungsfindung einbringen.

Geht das?

In Zeiten wachsender Ungewissheit, ist aus diesen Gründen kollektive Führung der Erfolg versprechende Ansatz. Nur: Wie kann sie gelingen? Der hierarchisch-bürokratische Ansatz kennt darauf keine Antwort. Hingegen entwickeln agile Unternehmen mit modernen soziokratischen Ansätzen eine auf Selbstorganisation gestützte Struktur kollektiver Führung, die es ihnen erlaubt, die kollektive Intelligenz für die Organisation zu erschliessen. Die Methodik dafür ist verfügbar und bekannt.

How-To Kollektiv führen

Definition

Ein systematischer Ablauf von der Feststellung eines Entwicklungsbedarfs bis hin zur Überprüfung der Wirksamkeit einer erfolgten Umsetzung. Bewusste und systematische Involvierung der relevanten Kolleg:innen. Fokus, Produktivität, Kreativität und kollektive Weisheit im systematischen Zusammenspiel.

Zweck

Die zentralisierte Führung von oben funktioniert in Unternehmen nicht, deren Mitarbeiter:innen ausgebildete Fachleute sind. Wissen, Können und Erfahrung aus der Arbeit müssen in die Art und Weise einfliessen, wie das Unternehmen seine Leistung erbringt. Denken und Handeln können nicht mehr getrennt werden, sondern werden in der gemeinsam getragenen Steuerung des Unternehmens vereint.

Anwendung

Diese Form der kollektiven Führung kommt überall zum Zug, wo eigenverantwortliche Teams die Regeln ihrer Zusammenarbeit selbst festlegen und nach Bedarf weiterentwickeln.

Kollektiv führen – Schritt für Schritt

Im Kreis angeordnete Icon-Darstellungen illustrieren den schrittweisen Ablauf kollektiver Führung.

💡 Spannung bewusst wahrnehmen

Idee, Ärgernis, Irritation, Bauchgefühl, Freudenschrei – alles beginnt mit einer Spannung: «Das könnte man besser machen!» Es sind diese wichtigen Hinweise, die oft an der Kaffeemaschine besprochen oder in der «Faust im Sack» zerdrückt werden. Die wir seufzend hinnehmen oder begeistert weiterdenken. Die wir vielleicht nicht einmal beachten. Jeder ein möglicher Anfang besserer Zusammenarbeit!

🔎 Problemstellung beschreiben

Welcher Treiber verbirgt sich hinter der Spannung? Erkunde ihn, damit er für dich und andere verständlich wird: Was hast du beobachtet, und was löst das aus? Wer ist wann und wie davon betroffen? Wähle eine Form, die der Tragweite der Spannung angemessen erscheint.

🗺️ Zuständigkeit klären

Liegt es in deiner Zuständigkeit, auf diesen Treiber zu reagieren? In der Zuständigkeit deines Kreises, eines anderen Kreises, des Unternehmens überhaupt? Ist er im Hinblick auf Zweck, Auftrag und Strategie der Organisation relevant?

§ Vorschlag formulieren

Wie sieht eine angemessene Reaktion auf den Treiber aus? Worin liegt der Wert bisherigen Vorgehens? Welche möglichen Auswirkungen ergeben sich, wenn wir es verändern? Der von dir erarbeitete Vorschlag beschreibt eine mögliche, sinnvolle Veränderung der geltenden Regeln in Reaktion auf den Treiber. Nützlicher Ansatz: Vorschlag gemeinsam erarbeiten.

🎁 Einwände integrieren

Erkennt jemand Hinweise auf unerwünschte Auswirkungen oder verschenktes Potenzial? Einwände sind Geschenke an die Gruppe, die gute Entscheidungen unterstützen und die Organisation vor Schaden bewahren. Solange ein Einwand besteht, auf den der Vorschlag nicht eingeht, kann der Vorschlag vernünftigerweise nicht in Kraft treten.

☑️ Konsent beschliessen

Erkennt die Gruppe keine weiteren Einwände, herrscht Konsent über den Vorschlag. Mit Konsent tritt der Vorschlag in Kraft als neue gültige Vereinbarung.

♻ Wirksamkeit überprüfen

Wie bewährt die neue Vereinbarung sich im Alltag? Jede Vereinbarung kann jederzeit überarbeitet oder aufgehoben werden, wenn entsprechende Spannung auftritt. Um systematisches Lernen zu unterstützen, werden geltende Vereinbarungen mit einem Verfalldatum markiert und periodisch überprüft.

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Dieses Muster kann dir und deiner Organisation dabei helfen, wirksamer auf Veränderung innerhalb und ausserhalb des Unternehmens zu reagieren. Schreibe uns, wenn du mehr darüber erfahren möchtest!

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