Agilität*

Agilität ist die Fähigkeit einer Organisation, rechtzeitig und angemessen auf Veränderung zu reagieren. Jede Organisation besitzt und entwickelt ihre eigene Agilität.

* unsere Definition und Verwendung des Begriffs im Kontext der agilen Transformation ◼︎

Agilität ist die Fähigkeit einer Organisation, rechtzeitig und zweckmässig auf Veränderung zu reagieren. Der Begriff bezeichnet somit ein Merkmal, über das jede Organisation mehr oder weniger ausgeprägt verfügt. Agilität bestimmt wesentlich die organisatorische Handlungsfähigkeit, was sie zu einem ausschlaggebenden Gesundheitsmerkmal macht.

Keine Organisation ist somit vollständig un-agil, keine ist völlig agil. Jede Organisation ist agil in dem Mass, das die Umsetzung ihrer Aufgabe erfordert.

Mehr Agilität

Der Ruf nach mehr Agilität ist vielerorts laut, denn unsere Zeit ist von Komplexität geprägt. Krisen und Umwälzungen, Innovationen und Digitalisierung, Bildung und Spezialisierung überfordern die bestehenden Strukturen und Abläufe. Die Folgen sind Überforderung, Absentismus, Fluktuation ebenso wie stagnierende Produktivität und Innovation.

Agilität wurde dazu zum Mantra und die Einführung agiler Methoden zur Routine. Die Erfolge blieben überschaubar, und häufiger als nicht überwiegt Frustration etwaige Verbesserungen deutlich. Denn die Agilität wächst nicht durch die Einführung von Methoden

Agilität entwickeln

Agilität kann nicht eingeführt oder auferlegt werden, überdies tendiert die Fähigkeit zur vorausschauenden Anpassung an Veränderung zum Zerfall. Sie zu erhalten und weiterzuentwickeln beruht daher auf einer laufenden bewussten Auseinandersetzung mit den eigenen Struktur- und Handlungsmustern.

Doch Agilität ist kein Zweck an sich. Sie darf daher nicht die Kapazität und Aufmerksamkeit der Organisation für sich absorbieren, sondern steht im Dienst ihres Auftrags. Die Entwicklung der Agilität muss deshalb zu jedem Zeitpunkt darauf ausgerichtet sein, die Produktivität zu fördern.

«Naive Agilität»

Die Fähigkeit vieler Organisationen zur Anpassung beruht auf dem entschlossenen Eingreifen einer kleinen Gruppe ihrer Mitglieder. Ihre Einfluss kann verliehen, erkämpft oder durch Überzeugung angeeignet sein.

Der faktische Ausschluss einer Mehrzahl von Kolleg:innen limitiert sowohl das Problemverständnis als auch die Handlungsoptionen und effektive Umsetzung. Im Gegenzug vereinfacht er die Kommunikation durch Reduktion der Kommunikationsteilnehmer:innen. Die Organisation verschafft sich damit eine unreflektierte Form der Agilität um den Preis der kollektiven Intelligenz und breiten Engagements.

Systematische Handlungsbereitschaft

Die systematische Stärkung organisatorischer Handlungsbereitschaft setzt daher an der Kommunikation an. Klare dynamische Strukturen und vereinbarte Abläufe regeln den Fluss von Information und Einflussnahme bewusst. Dadurch bekommt jedes Mitglied der Organisation die Mittel, seine Kenntnisse, Erfahrung und Beobachtungen in die Entscheidungsfindung einfliessen zu lassen.

Agile Methoden wie Scrum oder Kanban geben dazu Anleitung, und soziokratische Führungssysteme ermöglichen den Aufbau agiler Entscheidungsstrukturen. Doch Agilität entsteht nicht durch die Einführung einer Methode, sondern resultiert aus der organisatorischen Fähigkeit, dem überall festgestellten Änderungsbedarf rechtzeitig zu begegnen.

Nach dem agilen Manifest

Das Manifest für agile Software-Entwicklung, oft auch kurz «agiles Manifest» genannt, prägte den heute gebräuchlichen Begriff «agil». Eine Gruppe von Managern und Software-Entwicklern formulierte vor über 20 Jahren erstmals Werte und Prinzipien gelingender Zusammenarbeit in der Software-Entwicklung.

Sie traten damit eine Lawine los, die seither die Software-Herstellung überrollte und den neuen Mainstream definierte. Und diese agilen Werte und Prinzipien lassen sich leicht auf jede andere Form der Wissensarbeit übertragen. Daher erfasst die agile Strömung seit einiger Zeit immer weitere Teile der Unternehmensentwicklung.

Ob das agile Manifest in seiner ursprünglichen Form noch korrekt und vollständig sei, wird unter Expert:innen gerne diskutiert. Entscheidend ist sicherlich, dass organisatorische Agilität neu verstanden und in einem angemessenen Umfang entwickelt wird.

Agile Methoden

Unter Namen wie Scrum oder DSDM wurde schon einige Jahre vor dem agilen Manifest erstmals methodische Ansätze beschrieben, um eine leichtgewichtigere Projektführung zu erzielen; andere, wie Kanban, kamen später hinzu. Die Formalisierung aufeinander abgestimmter Handlungsmuster für klare Ausrichtung, transparente Koordination und kollektive Steuerung öffnet die Tür zu mehr Mitbestimmung und engagierter Mitwirkung aller Mitarbeitenden.

Daraus wird häufig abgeleitet, dass mit der Einführung einer agilen Methode das Ziel einer agilen Organisation erreicht sei. Auch wenn agile Methoden ganz ohne Zweifel ihren Wert haben, ergibt die Behauptung «Wir sind jetzt auch agil!» nicht mehr Sinn als eine Feststellung «ich bin jetzt auch beweglich», weil ich mich einer Yoga-Schule angeschlossen habe.

«Agile»

Trotzdem riefen die neuen Ansätze eine ganze Beratungsindustrie auf den Plan, die Einführung von Methoden und Therapierung unwilliger Mitarbeiter:innen zum Geschäftsmodell zu erheben. «Agile» wurde zum Nomen, zum Begriff für eine Heilsbotschaft, die alles Bestehende ersetzen sollte.

Wenn heute postuliert wird, «Agile ist tot», dann muss sich das auf dieses mechanistische Verständnis einer organisatorischen Umrüstung beziehen. Tot oder nicht, der Gedanke ist sicher noch weiter verbreitet als das hier beschriebene Verständnis einer aufgeklärten Agilität.

Agiles Mindset

«Eure Agilität klingt ja super, aber mit unseren Leuten ist das nicht zu machen!» lautet ein oft gehörter Einwand. Agile-Coaches pflichten bei und versichern, zunächst müsse am «richtigen Mindset» der Mitarbeiter:innen gearbeitet werden. Ein «Agiles Mindset» sei Voraussetzung nur schon dafür, in Scrum-Meetings aktiv mitzuwirken. Was ist dieses agile Mindset? Wieso fehlt es manchen, während einige es in sich tragen? Können alle es erlangen?

Das englische Wort «mindset» wird von Carol Dweck mit «Selbstbild» übersetzt, von Wörterbüchern mit «Denkart», «Denkweise», «Einstellung» oder auch «Mentalität». Die oder der Agile-Coach verwendet einfachheitshalber den fremdsprachigen Begriff, ohne ihn in der Regel weiter zu definieren. Wie man es dreht: Die Anmassung, das Denken und die Weltsicht der Mitarbeitenden zu korrigieren, ist masslos, und das Unterfangen aussichtslos. Organisationsentwicklung, die sich darauf abstützt, kann nicht gelingen.

Dieselben Mitarbeiter:innen, die angeblich nicht in der Lage seien, in einer agilen Organisation Mitverantwortung zu tragen, beweisen täglich das Gegenteil, sobald sie den Arbeitsplatz verlassen. Sie planen eine Weltreise, gründen eine Familie, pflegen einen Garten, leiten einen Verein, trainieren auf ein sportliches Ziel. Warum nicht auch bei der Arbeit?

Das Versprechen

Ideale Agilität bedeutet, das gesamte Potenzial der organisatorischen Möglichkeiten ohne inneren Verlust zur treffsicheren Befriedigung relevanter Bedürfnisse nutzbar zu machen. Autonomes Team, vernetzte Organisation, Kundenfokus. Dadurch, dass Können, Verstehen, Entscheiden und Umsetzung breit gestreut sind, erreicht das Unternehmen maximale Reaktionsbereitschaft und Widerstandsfähigkeit. In der Praxis kann jeder Schritt in dieser Richtung die Veränderung bringen, die zur Erreichung eurer Ziele nötig ist. Agile Transformation bedeutet, diesen Weg zu beginnen.

Wenn es gelingt, die Energie der «Faust im Sack» für das Unternehmen nutzbar zu machen, können alle Mitglieder der Organisation ihr Können, ihre Erfahrung und ihre Beobachtungen in das kollektive Gelingen einbringen. Durch wachsende Mitverantwortung, zweckmässigere Abläufe, klarere Ausrichtung und andere schrittweise Verbesserung wachsen Arbeitsplatzzufriedenheit, Produktivität und Kundenzufriedenheit gemeinsam. Wird es perfekt sein? Niemals, aber muss es das?

Eure eigene Agilität

Diese Entwicklung kann nicht auferlegt werden. Engagierte Arbeit entsteht aus einer freien Entscheidung zur Mitwirkung. Es gibt keine Blaupause für eure zukünftige Organisation und keine fertige Anleitung, sie umzubauen. Eure eigene Agilität entsteht mit euch aus eurer Geschichte und aus eurer Zukunftsvorstellung in eurem Umfeld. Niemand kann sie einführen; ihr seid die Richtigen, um sie zu entwickeln.

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