Agilität*

Agilität ist die Fähigkeit einer Organisation, rechtzeitig und angemessen auf Veränderung zu reagieren. Jede Organisation besitzt und entwickelt ihre eigene Agilität.

* unsere Definition und Verwendung des Begriffs im Kontext der agilen Transformation ◼︎

Jedes Unternehmen ist agil genug für seine jetzige Arbeit. Es kann seine Agilität bewusst weiterentwickeln, um sich dadurch auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Zukunft besser einzustellen.

Agile Methoden wie Scrum oder Kanban geben dazu Anleitung, und soziokratische Führungssysteme ermöglichen den Aufbau agiler Entscheidungsstrukturen. Doch Agilität entsteht nicht durch die Einführung einer Methode, sondern resultiert aus der organisatorischen Fähigkeit, dem überall festgestellten Änderungsbedarf rechtzeitig zu begegnen. Es ergibt insbesondere keinen Sinn, eine neue Methode «einzuführen» oder «auszurollen». Agilität entsteht aus einer Einladung zu mitverantwortlicher Zusammenarbeit.

Nach dem agilen Manifest

Das Manifest für agile Software-Entwicklung, oft auch kurz «agiles Manifest» genannt, prägte den heute gebräuchlichen Begriff «agil». Eine Gruppe von Managern und Software-Entwicklern formulierte vor über 20 Jahren erstmals Werte und Prinzipien gelingender Zusammenarbeit in der Software-Entwicklung.

Sie traten damit eine Lawine los, die seither die Software-Herstellung überrollte und den neuen Mainstream definierte. Und diese agilen Werte und Prinzipien lassen sich leicht auf jede andere Form der Wissensarbeit übertragen. Daher erfasst die agile Strömung seit einiger Zeit immer weitere Teile der Unternehmensentwicklung.

Ob das agile Manifest in seiner ursprünglichen Form noch korrekt und vollständig sei, wird unter Expert:innen gerne diskutiert. Entscheidend ist sicherlich, dass organisatorische Agilität neu verstanden und in einem angemessenen Umfang entwickelt wird.

Raum für Agilität

Rechtzeitigkeit der Reaktion auf Veränderung setzt frühzeitiges Erkennen sich abzeichnender Veränderung voraus. Angemessenheit der Reaktion beruht auf einem umfassenden Verständnis der Aufgabe, der Arbeit und ihres Kontexts. Organisatorische Agilität erwächst somit aus einem hohen Mass an direkter, verantwortungsvoller Involviertheit der für die Fragestellung relevanten Kolleg:innen. Diese Verbindung entsteht aus der Rückabwicklung der obsolet gewordenen Trennung des Denkens vom Handeln, welche für das bürokratisch-hierarchische Management prägend war.

Agilität bedingt, mit anderen Worten, ein hohes Mass an Selbstorganisation – also Strukturen, in denen Entscheidungen durch dieselben Mitarbeitenden vorbereitet, getroffen und umgesetzt werden. Den Rahmen dafür bildet eine dezentralisierte Entscheidungsstruktur, die auf Mitbestimmung und damit verbundener Mitverantwortung beruht.

Stetige Veränderung

Veränderung, mitunter auch der heftigen Art, prägte das menschliche Leben seit jeher. Heute leben wir in einer Zeit, in der jede Neuigkeit ebenso wie unbegrenztes Faktenwissen jederzeit und überall sekündlich uns allen verfügbar ist. Auch die physische Erreichbarkeit jedes Winkels des Planeten ist für Menschen wie Güter annähernd uneingeschränkt und unmittelbar. Entsprechend fegt der sprichwörtliche Flügelschlag eines Schmetterlings im Tagesrhythmus um die Welt.

Annähernd jede unternehmerische Tätigkeit erfordert daher eine konstante Neueinstellung auf diese stetige Veränderung. Sie betrifft die Arbeitsmärkte ebenso wie die Beschaffungs- und Absatzmärkte; die Regulation ebenso wie die Konkurrenz und die Öffentlichkeit; das Innere der Organisation ebenso wie ihr Umfeld.

Bewusste Entwicklung

In Kleinstunternehmen kann diese Abstimmung intuitiv erfolgen. Die wenigen Kommunikationspfade innerhalb der Organisation lassen den Erhalt einer «naiven Agilität» zu, die sich fast von selbst ergibt. Doch in den wissensintensiven Organisationen gut ausgebildeter und erfahrener Spezialist:innen übersteigt die Komplexität der Zusammenhänge schon bei wenigen Mitarbeitenden das überblickbare Mass.

Dann werden bewusste Vereinbarungen und Abläufe notwendig, um die effektive Zusammenarbeit zu koordinieren. Das Unternehmen kann sich entscheiden, diese Strukturen im Hinblick auf seine agile Handlungsbereitschaft zu optimieren – oder auch nach anderen Gesichtspunkten.

Agile Methoden

Unter Namen wie Scrum oder DSDM wurde schon einige Jahre vor dem agilen Manifest erstmals methodische Ansätze beschrieben, um eine leichtgewichtigere Projektführung zu erzielen; andere, wie Kanban, kamen später hinzu. Die Formalisierung aufeinander abgestimmter Handlungsmuster für klare Ausrichtung, transparente Koordination und kollektive Steuerung öffnet die Tür zu mehr Mitbestimmung und engagierter Mitwirkung aller Mitarbeitenden.

Daraus wird häufig abgeleitet, dass mit der Einführung einer agilen Methode das Ziel einer agilen Organisation erreicht sei. Auch wenn agile Methoden ganz ohne Zweifel ihren Wert haben, ergibt die Behauptung «Wir sind jetzt auch agil!» nicht mehr Sinn als eine Feststellung «ich bin jetzt auch beweglich», weil ich mich einer Yoga-Schule angeschlossen habe:

  • Es gibt keine Unternehmen, die gar nicht agil sind, und auch keine, die völlig agil sind. Die Agilität eines Unternehmens ist ein Attribut, das stärker oder schwächer ausgeprägt sein kann.
  • Während die Nutzung einer Methode die Organisation in ihrer Entwicklung unterstützen kann, bedeutet das noch keine Verbesserung der Reaktionsbereitschaft und Resilienz.

Agiles Mindset

«Eure Agilität klingt ja super, aber mit unseren Leuten ist das nicht zu machen!» lautet ein oft gehörter Einwand. Agile-Coaches pflichten bei und versichern, zunächst müsse am «richtigen Mindset» der Mitarbeiter:innen gearbeitet werden. Ein «Agiles Mindset» sei Voraussetzung nur schon dafür, in Scrum-Meetings aktiv mitzuwirken. Was ist dieses agile Mindset? Wieso fehlt es manchen, während einige es in sich tragen? Können alle es erlangen?

Das englische Wort «mindset» wird von Carol Dweck mit «Selbstbild» übersetzt, von Wörterbüchern mit «Denkart», «Denkweise», «Einstellung» oder auch «Mentalität». Die oder der Agile-Coach verwendet einfachheitshalber den fremdsprachigen Begriff, ohne ihn in der Regel weiter zu definieren. Wie man es dreht: Die Anmassung, das Denken und die Weltsicht der Mitarbeitenden zu korrigieren, ist masslos, und das Unterfangen aussichtslos. Organisationsentwicklung, die sich darauf abstützt, kann nicht gelingen.

Dieselben Mitarbeiter:innen, die angeblich nicht in der Lage seien, in einer agilen Organisation Mitverantwortung zu tragen, beweisen täglich das Gegenteil, sobald sie den Arbeitsplatz verlassen. Sie planen eine Weltreise, gründen eine Familie, pflegen einen Garten, leiten einen Verein, trainieren auf ein sportliches Ziel. Warum nicht auch bei der Arbeit?

Das Versprechen

Ideale Agilität bedeutet, das gesamte Potenzial der organisatorischen Möglichkeiten ohne inneren Verlust zur treffsicheren Befriedigung relevanter Bedürfnisse nutzbar zu machen. Autonomes Team, vernetzte Organisation, Kundenfokus. Dadurch, dass Können, Verstehen, Entscheiden und Umsetzung breit gestreut sind, erreicht das Unternehmen maximale Reaktionsbereitschaft und Widerstandsfähigkeit. In der Praxis kann jeder Schritt in dieser Richtung die Veränderung bringen, die zur Erreichung eurer Ziele nötig ist. Agile Transformation bedeutet, diesen Weg zu beginnen.

Wenn es gelingt, die Energie der «Faust im Sack» für das Unternehmen nutzbar zu machen, können alle Mitglieder der Organisation ihr Können, ihre Erfahrung und ihre Beobachtungen in das kollektive Gelingen einbringen. Durch wachsende Mitverantwortung, zweckmässigere Abläufe, klarere Ausrichtung und andere schrittweise Verbesserung wachsen Arbeitsplatzzufriedenheit, Produktivität und Kundenzufriedenheit gemeinsam. Wird es perfekt sein? Niemals, aber muss es das?

Eure eigene Agilität

Diese Entwicklung kann nicht auferlegt werden. Engagierte Arbeit entsteht aus einer freien Entscheidung zur Mitwirkung. Es gibt keine Blaupause für eure zukünftige Organisation und keine fertige Anleitung, sie umzubauen. Eure eigene Agilität entsteht mit euch aus eurer Geschichte und aus eurer Zukunftsvorstellung in eurem Umfeld. Niemand kann sie einführen; ihr seid die Richtigen, um sie zu entwickeln.

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