Was wäre, wenn wir alle mit Herzblut und vollem Engagement bei der Sache wären? Die besten Teams zeichnet aus, dass ihre Mitglieder keine Ausreden kennen. Effektive Zusammenarbeit lebt von der Bereitschaft aller Beteiligten, die gemeinsame Idee zu entwickeln und zu verfolgen.
Verantwortung ist keine angeborene Eigenschaft, die einige Führungsfiguren in sich tragen würden, die meisten von uns jedoch vermissen liessen. Ist es nicht vielmehr so, dass jede:r die Begabung mitbringt, Verantwortung zu übernehmen? The Responsibility Process gibt uns drei Schlüssel in die Hand, diese Verantwortung als Prozess zu üben und zu kultivieren.
Drei Schlüssel zur Verantwortung
Wenn wir erkennen, dass Verantwortung gelernt werden kann, stellt sich unmittelbar die Frage: Welche Mittel können uns dabei helfen? Der Weg führt, wie so oft, über eine anhaltende Praxis bewussten Wahrnehmens. In zwanzig Jahren intensiver Arbeit mit den darunterliegenden Mechanismen haben Christopher Avery und Bill McCarley drei Schlüssel herausgearbeitet, die uns Zugang zu einer neuen Gewohnheit der Verantwortung verschaffen.
Absicht
Schuldzuweisung kann sich wohltuend anfühlen, Rechtfertigung ist oft bestechend einfach. Selbst Scham oder auch ein Gefühl auferlegter Verpflichtung entbinden uns von der anstrengenden Notwendigkeit, die Dinge zu verändern.
Verantwortung beginnt mit der Absicht zur Mündigkeit, die eigene Wahlfreiheit zu nutzen um Einfluss auf unser Umfeld zu nehmen.
Achtsamkeit
Verantwortungslosigkeit in Anderen zu erkennen, fällt uns oft leicht. Um unsere eigene Verantwortung zu stärken, müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf unser eigenes Verhalten richten. Der Schritt besteht darin, den eigenen Umgang mit Widerstand, Problemen oder Ärger zu beobachten und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wo im Prozess wir uns befinden oder steckenbleiben.
Konfrontation
Die eigene Unmündigkeit erkennen, die eigene Unfähigkeit zur Verantwortung eingestehen. Der Prozess der Verantwortung ist in uns allen angelegt und es ist keine Schande, wenn wir nicht aus Verantwortung handeln. Trotzdem kann es schwerfallen, uns das einzugestehen. Die offene Auseinandersetzung mit uns selbst öffnet den Weg zu Verantwortung und der Kraft, unseren eigenen Verstand einzusetzen.
Verantwortung und Rechenschaft
Menschliche Sprache ist mehrdeutig und die Begrifflichkeiten rund um Verantwortung bilden da keine Ausnahme. «Du übernimmst die Verantwortung für den Transport!» – Mit «Verantwortung» beschreiben wir häufig Sachverhalte, die treffender als «Verantwortlichkeit» oder «Rechenschaftspflicht» bezeichnet würden. Der Responsibility Process versteht Verantwortung als Resultat einer freien Entscheidung, zustimmend auf eine Herausforderung zu reagieren.
Wie lange möchtest du in einem Zustand unproduktiver Bewältigung verbleiben?
Christopher Avery
Verantwortung wird also nicht auferlegt und nicht überprüft. Sie reflektiert eine innere Haltung, keine nach aussen gerichtete Erwartung oder Vereinbarung. Aus Verantwortung heraus zu handeln ist Ausdruck des Willens und der Kraft, gestaltend zu handeln. «The power, to create, choose, and attract.»
Verantwortung als Prozess
In unserem Alltag stossen wir laufend auf kleine Hindernisse oder grössere Probleme. Jedes ist eine Gelegenheit, unsere Reaktion zu reflektieren und Verantwortung einzuüben: Die Schlüssel liegen nicht an ihrem Platz. Der Kater hinterlässt eine Unordnung. Die Anfrage wurde nicht beantwortet. Der Patient wurde falsch behandelt. Unsere Reaktion folgt regelmässig dem gleichen Muster und durchläuft dabei bis zu fünf Schritte.
Beschuldigen Die Vase ist noch in der Luft, da ist der Hund schon entlarvt, und der Sohn, der ihn hereinliess, die Tante, die ihm das erlaubt hat, der Schreiner, der den Tisch instabil konstruierte. Jemand ist schuld.
Rechtfertigen Doch lag es nicht vielmehr an den Umständen? Alle kamen gleichzeitig herein und waren in dem allgemeinen Durcheinander nicht aufmerksam. Das war ein schlechter Moment.
Schämen Ich hätte besser auf den Hund aufpassen müssen, wie konnte ich das nur dem Kind überlassen? Letztlich ist es meine Schuld.
Verpflichtung Nun liegt es an mir, aufzuräumen und für Ersatz zu sorgen. Das wird von mir jetzt erwartet.
Verantwortung Es ist bemerkenswert, was hier in dem kurzen Augenblick vor sich ging. Ich werde daraus lernen. Doch zunächst ist mir wichtig, die Sache in Ordnung zu bringen, damit wir einen fröhlichen Nachmittag verbringen und später guter Laune auf den Unfall zurückschauen können.
Die entscheidende Frage ist, wie lange wir in den einzelnen Schritten verharren und ob es uns gelingt, bis zur Verantwortung vorzudringen. Wir können sie nur beantworten, indem wir uns selbst beobachten, um zu lernen.
Führe dich selbst
Es ist einfach, diesen Ablauf in anderen zu beobachten und die Versuchung kann aufkommen, die eigene Einschätzung lehrer:inhaft mitzuteilen. Das Ergebnis wird in der Regeln nicht von Dankbarkeit für eine gewonnene Einsicht geprägt sein. Der Responsibility Process wirkt nur richtig, wenn selbst appliziert.
Sich zu schämen ist kein produktiver Zustand und selten angebracht oder hilfreich. Dies gilt ausdrücklich auch für Situationen, in denen wir uns dabei ertappen, nicht aus Verantwortung zu handeln. Es ist menschlich, völlig normal und nicht verlernbar, die verschiedenen mentalen Zustände des Responsibility Process einzunehmen.
Verantwortung ist der Zustand von Selbstwirksamkeit, den wir anstreben. Wir können uns selbst darin trainieren.
Voraussetzungen
«Agilität ist eine schöne Idee, aber mit meinem Team ist das nicht zu machen.» «Manche Leute kommen einfach zur Arbeit, um ihren Zahltag zu verdienen. Das ist auch in Ordnung.» – wie plausibel sind die Bedenken, die in Bezug auf Engagement und Verantwortungsbereitschaft immer wieder geltend gemacht werden?
Die angesprochenen Kolleg:innen, die angeblich so wenig mitdenken, sind häufig dieselben, die eine Familie gründen oder ihre Verwandten pflegen. Sie engagieren sich in Freiwilligenarbeit und Vereinen, gehen auf Reisen und bereiten sich auf sportliche Leistungen vor. Und auch in ihrer täglichen Arbeit stellen sie sicher, dass angesichts der geltenden Regeln und Rahmenbedingungen gute Resultate entstehen. Deutet das nicht ganz darauf hin, als wäre die betriebliche Organisation der beschränkende Faktor für mehr Engagement?
Verantwortung ist ein Prozess. Wir alle können ihn üben, um besser darin zu werden.
Fakten zu The Responsibility Process
Autoren | Christopher Avery, Bill McCarley |
Kanonische Referenz | The Responsibility Process |