Der Fachkräftemangel gilt in vielen Branchen als wachsendes Problem. Woher sollen wir die Programmierer:innen, die Pflegekräfte, die Hausärzt:innen nehmen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten? Staat und Unternehmen verschenken durch unzeitgemässe Organisationsstrukturen viel Potenzial, Engagement und Motivation zu stärken.
Die Schuldigen für das angebliche Fehlen benötigter Arbeitskräfte werden überall gesucht: Die Politik steuere die Einwanderung falsch, die Bildungsstätten produzierten nicht die benötigten Absolvent:innen, Genration Z sei nicht leistungsbereit, Generation X arbeite zu viel in Teilzeit.
Aber was, wenn die angeblich fehlenden Mitarbeiter:innen bereits nicht nur an die Tür klopften, sondern sie täglich mit ihrem Badge öffneten?
Motivation und Engagement
Die Eingangsfrage gibt einen Hinweis und das Beratungsunternehmen Gallup lieferte vor wenigen Wochen die aktuellen Zahlen dazu. Wer sich fragt, woher wir helfende Menschen nehmen können, erliegt einer Illusion, die in der konventionellen Unternehmensführung weitverbreitet ist: Dass Mitarbeitende eine zu verwaltende Ressource des Unternehmens seien.
Doch immer deutlicher wird klar: Mitarbeiter:innen sind Menschen mit Ambitionen und Motivation. Menschen möchten sich mit ihrem Umfeld verbinden und in ihrer Arbeit, ihrem Leben wachsen. Die meisten Unternehmen verfügen über keine Vorstellung und keinen Plan davon, dieses Potenzial zu nutzen.
Innere Kündigung
Das führt dazu, dass laut aktueller Gallup-Studie* mittlerweile noch 11 % der Arbeitstätigen in der Schweiz angeben, mit vollem Engagement bei der Arbeit zu sein. Dieser Wert ist sehr tief, auch im europäischen und Weltvergleich, und er ist sinkend.
Weiter der Studie folgend, haben rund 80 % der Arbeitstätigen in der Schweiz innerlich gekündigt. Sie schieben Dienst nach Vorschrift, verdienen damit das Geld zum Leben und finanzieren sich so die Aktivitäten, in denen sie ihre Menschlichkeit, ihre Kreativität, ihren Durchhaltewillen einbringen und entwickeln können. Das ist traurig und hat, immer Gallup zufolge, milliardenschwere Folgen für die Unternehmen.
Organisation für Engagement
Was wäre mit dem Fachkräftemangel, wenn auch nur ein kleiner Teil der Belegschaft neue Motivation in ihrer Arbeit finden würde? Wie gelingt es uns, Organisationen zu schaffen, die allen ihren Mitgliedern Raum für volles Engagement geben?
Produktivität der Wissensarbeit
Peter Drucker nannte es die Herausforderung des Managements im 21. Jahrhundert: Die Wissensarbeit produktiv zu machen. Seither wurde umfangreich geforscht und experimentiert. Unter Titeln wie Learning Organization, Beyond Budgeting, Agile und Agilität – oder ganz ohne Markenzeichen – erzielt eine wachsende Zahl von Unternehmen beachtliche Erfolge auf dem Weg zu neuer Produktivität in der Wissensarbeit.
Command-and-Control, machthierarchisch legitimierte Weisungsbefugnis und eine Menge damit verbundener Relikte der industriellen Frühzeit des «Managements» sind derweil alles andere als verschwunden. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen «managt» und «führt» ihre bestens ausgebildeten Mitarbeiter:innen nach veralteten Muster. Und schafft so selbst den Fachkräftemangel, den sie beklagt.