Selbstorganisation ist eine fortlaufende Aktivität zur Koordination der Zusammenarbeit. Im Rahmen der Mitgestaltung ihrer Zusammenarbeit im Team übernehmen dessen Mitglieder gleichberechtigte Mitverantwortung für die Umsetzung der gemeinsamen Aufgabe in eigener Kompetenz. Ihre Autonomie wird dabei immer durch äussere Vorgaben beschränkt, innerhalb deren Begrenzungen ihre Selbstorganisation sich entfaltet.
Grenzen der Selbstorganisation
Die Freiheit, eigene Regeln festzulegen, unterliegt immer Einschränkungen, innerhalb derer das Team autonom handelt. Umgekehrt betrachtet, findet innerhalb der gegebenen Einschränkungen immer Selbstorganisation statt. Die Einschränkungen lenken den Fokus und begrenzen zugleich Handlungsoptionen. Dadurch tragen sie idealerweise zur Entwicklung einer tragfähigen Teamstruktur bei und unterstützen gleichzeitig die Anbindung an die Gesamtorganisation.
Gemeinsame Orientierung
Die formell festgelegten Strukturen und Abläufe der meisten Unternehmen genügen nicht, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Daher nutzen Mitarbeiter:innen ihre persönlichen Netzwerke in der Organisation auf dem «kurzen Dienstweg». Auch das ist Selbstorganisation, ohne gemeinsame Ausrichtung. Unkoordinierte Selbstorganisation fördert Intransparenz und erschwert dadurch das organisatorische Lernen.
Denn jede Organisation hat ihren Zweck oder Auftrag. Eine in der Organisationsstruktur angelegte gemeinsame Orientierung schafft die Voraussetzung, um die Energie der Selbstorganisation für die gemeinsame Aufgabe nutzbar zu machen.
Selbstorganisation nutzen
Simple, clear purpose and principles give rise to complex and intelligent behavior. Complex rules and regulations give rise to simple and stupid behavior.
Erst ein bewusster Umgang mit der Selbstorganisation erschliesst das Potenzial neuer Produktivität und Innovationsbereitschaft. Wenn Teams ihre Regeln innerhalb des gegebenen Rahmens selbst aushandeln, entwickeln die Spezialist:innen des Aufgabenbereichs den Rahmen für gute Arbeit. Dabei bringen sie ihr kollektives Wissen, ihre Erfahrung und Beobachtungen ein und übernehmen damit direkte Verantwortung für ihre Aufgabe. Die Vereinigung von Steuerung und Ausführung im Team ermöglicht erst die Reaktionsbereitschaft wirklicher Agilität.
Selbstorganisation kann dann als Voraussetzung für organisatorische Agilität gelten. Wenn die Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie anfallen, entkommt die Organisation der Schwerfälligkeit bürokratischer Bewilligungsverfahren.
Anreizsysteme
Zu den Einschränkungen der Selbstorganisation gehören namentlich auch alle geltenden Anreizsysteme, die sich auf die Mitglieder des Teams auswirken. Zielvorgaben, Bonus-Versprechen, Arbeitsplatzsorgen und andere Werkzeuge herkömmlicher Unternehmensführung können die Aufmerksamkeit vom Auftrag des Teams auf andere Grössen ablenken.
Aus diesem Grund wirken herkömmliche Anreizsysteme häufig unvorteilhaft auf die Entstehung gelingender Selbstorganisation und damit auch effektiver Zusammenarbeit ein. Die Festlegung der Rahmenbedingungen muss diesem Aspekt Rechnung tragen.
Führung und Selbstorganisation
Die paradox anmutende Anleitung zur Entwicklung funktionierender Selbstorganisation lautet: Halte dich eisern an geltende Regeln und passe die Regeln nach Bedarf jederzeit an. Gültige Regeln sichern das gegenseitige Vertrauen und ermöglichen organisatorisches Lernen. Die Anpassung der Regeln setzt dabei einen entsprechenden Beschluss durch die verantwortliche Organisation voraus. Somit wird die rasche und verbindliche Entscheidungsfindung zur direkten Voraussetzung für gelingende Selbstorganisation.
Dabei entwickelt sich die Aktivität innerhalb der Rahmenbedingungen frei und zunächst ohne gemeinsame Ausrichtung. Die Herausforderung gelingender Zusammenarbeit besteht darin, unabhängig gesteuerte Aktivitäten an Zweck und Zielen der Organisation auszurichten.
Hinweis: Der Begriff der Selbstorganisation wird in Mathematik, Naturwissenschaften, Soziologie und anderen Gebieten unterschiedlich verwendet → Wikipedia. Diese Einordnung bezieht sich auf den Unternehmenskontext.