Konsent*

Konsent ist die Zusicherung, nicht über die Köpfe der betreffenden Personen hinweg zu entscheiden. Konsent besteht, solange keine Einwände erkannt werden.

* unsere Definition und Verwendung des Begriffs im Kontext der agilen Transformation ◼︎

Konsent zu einem Vorschlag oder Vorgehen ist die Feststellung des Kreises, dass keine erkennbaren, zwingenden Argumente gegen seine Umsetzung sprechen. In diesem Fall betrachtet die Gruppe das Vorgehen als gut genug für den Moment und sicher genug für einen Versuch. Sie sichert ihren zuständigen Mitgliedern dadurch ihre Unterstützung dafür zu.

Kein Einwand

Ein zwingendes Argument, oder Einwand, verweist auf ein Risiko, das der Kreis nicht einzugehen bereit ist. Dieses Risiko kann darin bestehen, bestehende Vereinbarungen oder gar Rechtsnormen zu verletzen. Oder darin, wertvolle Energie in eine wenig aussichtsreiche Aktivität zu investieren. Oder auch ganz generell in einer fehlenden Zweckmässigkeit in der Unterstützung der organisatorischen Ziele und ihres Auftrags.

Konsent «geben»

Konsent als Formular zum Abhaken: a) der Vorschlag passt zum Problem; b) der Vorschlag passt zur Aufgabe des Kreises; c) der Vorschlag stimmt mit Regeln und Gesetz überein; d) kein Vorschlag zur umittelbaren Verbesserung erkenntlich. Und: Unterschrift.

Die bisweilen verwendete Fragestellung «Kannst du dazu Konsent geben?» scheint zu suggerieren, dass mit dem Konsent ein Akt der Grosszügigkeit verbunden sei. Das ist damit nicht gemeint. Die Beteiligten geben dadurch Konsent, dass sie trotz bewusster Prüfung keine Einwände erkennen und geltend machen. Daher ist die Frage nach Konsent letztlich eine Bitte, den betreffenden Vorschlag auf mögliche Einwände zu prüfen.

Denken und Handeln

Die konventionelle Management-Lehre geht bis heute davon aus, dass Entscheiden und Ausführen, Denken und Tun, separiert und durch verschiedene Menschen wahrgenommen werden sollen: Vorgesetzte und Untergebene. Die Chefin entscheidet, der Arbeiter macht. Dieser Gedanke entstand vor 150 Jahren in der Industrialisierung und funktionierte hervorragend, um die ungelernten Arbeitskräfte in den entstehenden Fabriken effizient einzusetzen. Er ist im Kontext der Wissensarbeit völlig obsolet geworden.

Nicht nur in Büros, Laboren und Bildungseinrichtungen, sondern auch in Werkstätten, Geschäften und fast überall sonst arbeiten heute bestens ausgebildete Menschen in den Berufen und an Aufgaben, für die sie sich bewusst entschieden haben. Diese Kolleg:innen verstehen Fragestellungen und Entscheidungsbedarf besser, als eine Drittperson das könnte. Ihnen Verantwortung und Entscheidungen abzunehmen, ergibt keinen Sinn. Konsent ist das Verfahren, um Denken und Handeln wieder zu vereinen.

Kollektive Intelligenz

Eine Einladung zur Konsent-Entscheidung ist eine Bitte an die Kreismitglieder, einen Vorschlag vor dem Hintergrund ihres Verständnisses, ihres Wissens und ihrer Erfahrung zu reflektieren, um allfällige Schwachstellen darin zu erkennen. Damit erschliesst die Konsent-Entscheidung die kollektive Intelligenz der Gruppe für die effektive Entscheidungsfindung.

Schwerfällig und schnell

Es ist zunächst ungewohnt, jedes Kreismitglied nach seiner Einschätzung zu einem Vorschlag zu befragen. Das Konsent-Entscheidungsverfahren durchläuft mehrere Runden, von der Fragestellung zum Beschluss. Dieser Prozess benötigt Zeit und aufmerksame Mitwirkung. Lohnt sich der Aufwand?

Als Ergebnis winkt eine Vereinbarung, die aus Sicht aller Betroffenen frei von offensichtlichen Fehlern ist und daher von der ganzen Gruppe mitgetragen wird – ein zweifacher Qualitätsvorteil, der auf anderem Weg nicht zu erreichen ist. Dass der Aufwand sich lohnt, erscheint daher als offensichtlich. Wie lässt der Prozess sich effizient umsetzen, auch in grösseren Gruppen?

Ein Kreis vereint diejenigen Mitglieder der Organisation, die von einer zu entscheidenden Frage betroffen sind. Ein schnellerer Weg zur Feststellung möglicher Einwände als sie alle in einer gemeinsamen Sitzung nach ihrer Einschätzung zu fragen, kann es nicht geben. Konsent ist damit so etwas wie der Braunbär unter den Entscheidungsverfahren: Wirkt behäbig und kommt bemerkenswert schnell voran.

Unternehmerisches Handeln

Mitbestimmung, Mitwirkung, Tod durch Komitee. Die verbreitete und berechtigte Befürchtung gegenüber kollektiven Entscheidungsverfahren nährt sich aus der Erfahrung, dass viele Köch:innen eben den Brei oft verderben. Prozesse, in denen viele Beteiligte ihre Vision eines Vorschlags umzusetzen versuchen, neigen zu nicht enden wollende Debatten, die ohne Ergebnis zerlaufen. Genau deshalb braucht es ein neues Verfahren.

Die Mitwirkung im Konsent beinhaltet nichts davon. Sie stützt das unternehmerische, kreative und proaktive Handeln des Kreismitglieds, das einen Vorschlag einbringt, indem alle anderen ihr Verständnis, ihr Wissen und ihre Erfahrung dafür einsetzen, mögliche Fallstricke rechtzeitig zu erkennen.

Das Konsent-Entscheidungsverfahren

Hintergründe und wie Entscheidungen im Konsent getroffen werden, beschreiben wir im Muster Konsent-Entscheidung mit Schritt-für-Schritt-Anleitung.

Wann kommt Konsent zum Einsatz?

Konsent ist nicht ein Entscheidungsverfahren unter vielen, sondern eine Grundregel, die letztlich immer gelten sollte: Wer umsetzt, entscheidet mit. Die Frage nach möglichen Einwänden kann auch dann gestellt werden, wenn eine Mehrheitswahl auf einen Vorschlag fiel: Ist der Vorschlag gut genug und sicher genug?

Feuerwehrleute berichten, dass im Ernstfall der Brandbekämpfung ein Konsent-Entscheidungsverfahren nicht infrage käme. Das leuchtet ein. Wenn Rettungs- oder Einsatzkräfte unter Drill eingeübte Abläufe abrufen, gelten früher getroffene Regeln und Vereinbarungen als gesetzt. Kein gemeinsames Entscheiden, kein Konsent in dieser Situation.

Ansonsten gilt: Besteht ein Einwand, kann nicht fortgefahren werden. Ist für die Verantwortlichen kein Einwand erkennbar, bedeutet das, dass der Kreis sich darüber einig ist, dass es weitergeht.

Grundpfeiler der Soziokratie

Der Konsent gehört neben dem Kreis, der doppelten Verknüpfung der Kreise und der soziokratischen Wahl zu den vier Grundpfeilern der Soziokratischen Kreis-Organisationsmethode. Zusammen bilden sie ein Grundgerüst für die Entwicklung von Organisationen, in denen Führung kein Job, sondern eine Eigenschaft des Systems ist.

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