Die Osterhasen-Prinzipien

Was können wir aus den Prinzipien, die dem Geschäftsmodell des Osterhasen zugrunde liegen, lernen? Und welche alternativen Prinzipien sind geeigneter, engagierte Arbeit auf Augenhöhe zu fördern?

Man kann nicht sagen, das Geschäftsmodell des Osterhasen sei schlecht, existiert doch sein Business mindestens seit dem 19. Jahrhundert. Allerdings erlaubt es keine gleichmässige Auslastung der Arbeitskräfte und Zulieferpartnerinnen. Jedoch, Just-in-Time-Produktion kann er!

Lohnt es sich also, von ihm etwas über Arbeit zu lernen? Können wir mithilfe des Osterhasen unser Business verbessern und etwas über gute Zusammenarbeit von Menschen erfahren?

Dafür lohnt es sich, das Führungsverständnis des Osterhasen, also seine Organisation und Governance genauer zu betrachten.

Wir können ihn schlecht fragen und da beginnt bereits das Problem. Da sich seine Arbeit und seine Kommunikation nicht direkt beobachten lassen, können wir lediglich aus den sichtbaren Resultaten und gewissen kulturellen Beobachtungen Rückschlüsse auf die Prinzipien machen, die er seinem Geschäft zugrunde legt.

Und das sind die Osterhasen Prinzipien:

Das Prinzip der Unsichtbarkeit

Sein Versteckspiel sagt eigentlich schon alles. Das Suchen von Objekten scheint einigen Menschen zwar Spass zu machen. Aber ganz ehrlich, Informationen nicht zugänglich zu haben, wenn wir unsere Arbeit machen wollen und deshalb Entscheidungen treffen sollten, ist eine Zumutung und verunmöglicht selbstgesteuertes Arbeiten.

Das Prinzip der Unsichtbarkeit ist ungeeignet für dezentrale Entscheidungen und damit ungeeignet für gute Arbeit.

Das Prinzip der Wiederholung

Ob sich der Osterhase jemals Gedanken zur Wirkung seiner Arbeit macht, ob er also nach getaner Arbeit eine Prüfungs- und Reflexionszeit einplant (genügend Zeit hätte er ja), wissen wir nicht. Es scheint so, dass die Dinge von Jahr zu Jahr gleich bleiben. Ausser, dass die Schokoladenhasen und -eier in den Läden gefühlt jedes Jahr früher herumstehen. Dafür kann der Osterhase aber nichts. Überprüft der Osterhase regelmässig seine Annahmen durch einen Realitätscheck? Lernt er aus Erfahrung? Dieser Punkt ist unsicher, da sich die beobachtbaren Dinge gar nicht oder sehr langsam verändern.

Das Prinzip der (unüberprüften) Wiederholung ist nicht geeignet für eine Organisation, die sich in einem dynamischen oder sogar komplexen Umfeld bewegt.

Das Prinzip der Tradition

Viele freuen sich jedes Jahr auf die Osterzeit, sei es wegen der freie Tage oder wegen der zu suchenden Leckereien. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen. Auf der Seite des Osterhasen sind allerdings Zweifel angebracht über die Lernfähigkeit und Veränderungsbereitschaft. Allerdings hat er nur einmal jährlich die Gelegenheit für eine Veränderung, sollte er in einer Reflexion etwas erkannt und gelernt haben.

Das Prinzip der Tradition, nur einmal pro Jahr etwas zu liefern und dies möglichst immer gleich beizubehalten, ist potenziell gefährlich, sollten sich die Umstände schneller ändern.

Das Prinzip der Zuverlässigkeit

Das Wirkungsfeld – man kann auch sagen, die Domäne des Osterhasen ist unbestreitbar die Versorgung der Menschen mit allerlei essbaren Fruchtbarkeitssymbolen – zum Teil mit viel Zucker – rund um den Frühlingsbeginn.

Die Arbeit in dieser Domäne erledigt der Osterhase zuverlässig, er tut, was man in diesem Zusammenhang erwarten kann.

Das Prinzip der Zuverlässigkeit, das zu tun, was abgemacht ist und was dem Gesamtsystem Nutzen erbringt, ist geeignet, um als Organisation gute Arbeit zu leisten.

Das Prinzip der Bevorzugung

Schon als Kind bemerken wir, dass die Erwachsenen um uns herum mehr wissen als wir selbst. Wir verstehen nicht, warum sie uns subtile Hinweise auf das Versteck zu geben vermögen. Das ist einzig erklärbar durch die Bevorzugung der Erwachsenen und dass der Osterhase die Erwachsenen ernster nimmt und den Kindern als Hauptbetroffenen der ganzen Sache weniger zutraut. Die Belohnung der Betroffenen durch Zucker ändert nichts daran.

Das Prinzip der Bevorzugung bedeutet Ungleichbehandlung bis hin zur Ungleichwertigkeit. Es ist ungeeignet für gemeinsame Arbeit auf Augenhöhe und Engagement für die Sache, auch wenn eine gewisse kurzzeitige „Motivation“ durch die in Aussicht gestellte Belohnung besteht.

Das Prinzip des Überflusses

Wer mag nach der Osterzeit „Ei“ oder „Schokolade“ überhaupt noch hören? Geformte Schokolade in grosser Menge hat entweder einen Zuckerschock mit Langzeitwirkung zur Folge oder dient als erzwungener Vorrat für den nächsten Schokoladenkuchen. Irgendwie scheint der Osterhase dies mit einer gewissen Absicht so zu steuern. Wie fokussiert die Organisation auf der Lieferantenseite des Osterhasen ist, wissen wir nicht. Leistet er überflüssige Arbeit und ist deshalb ein ganzes Jahr so erschöpft, dass er kaum an Innovation denken kann?

Das Prinzip des Überflusses ist nicht geeignet, unnötige Dinge von nötigen unterscheiden zu können und deshalb nicht förderlich für fokussierte gemeinsame Arbeit.

Das Prinzip des Akzeptierens

Dass das Vorgehen, die Jahreszeit oder auch nur die gelieferten Produkte passen, wird stillschweigend akzeptiert, ja sogar vorausgesetzt. Die Betroffenen, also Hühner als Lieferant:innen und Menschen als Empfänger:innen werden nie gefragt, ob sie eine Gelegenheit sähen, etwas am bisherigen Vorgehen zu ändern. Vielleicht hätten einige einen möglichen Einwand wegen des Zuckerschocks und die anderen einen Ei(n)wand wegen ihrer Arbeitsbedingungen. Der Osterhase fragt nicht danach und niemand hilft ihm, Gelegenheiten und Risiken zu erkennen.

Das Prinzip des Akzeptierens mag helfen, Konflikte verborgen zu halten. Für die Zusammenarbeit und die Weiterentwicklung einer Organisation ist es nicht hilfreich.

Fazit

Der Osterhase macht vieles richtig, wie die Langlebigkeit seines Geschäfts beweist. Er hat tatsächlich eine Monopolstellung in seinem Bereich erreicht.

Sein Geschäft ist allerdings nicht so aufgestellt, dass es auf schnellere Veränderungen im Umfeld reagieren könnte, seien das nun Risiken, denen er begegnen sollte oder Chancen, die sich ihm unversehens bieten.

Das Modell „Osterhase“ ist für moderne Organisationen ungeeignet zum Imitieren. Es stimmt, die meisten Modelle sind ungeeignet zum Imitieren. Von diesem hier raten wir aber entschieden ab.

Alternative Prinzipien

Die Prinzipien von Soziokratie 3.0 sind hingegen geeignet, eine bewegliche und agile Organisation zu formen und funktionsfähig zu halten, auch wenn sich die Welt verändert:

Transparenz, Empirismus, kontinuierliche Verbesserung, Verantwortlichkeit, Gleichberechtigung, Effektivität, Konsent.

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